Lamento by Lamento

Lamento by Lamento

Author:Lamento
Language: eng
Format: epub
ISBN: 9783426558638
Publisher: Knaur eBook


Bei Dave’s Ice herrschte tote Hose. Am dunstigen blaugrauen Himmel waren mittlerweile dicke Gewitterwolken aufgezogen, so dass niemandem nach Eiscreme zumute war. Ich lehnte mich an den Tresen und starrte durch die Panoramafenster auf die dräuenden Wolken, während ich an dem eisernen Schlüssel herumspielte. Ich schob ihn an der Kette hin und her und konnte mir tausend Orte vorstellen, wo ich gerade lieber gewesen wäre.

Ich wollte nicht auf die Uhr schauen, weil mich das nur daran erinnern würde, wie lange ich noch hierbleiben musste. Ich wollte auch nicht die alten SMS von James lesen, weil mich das nur daran erinnern würde, dass noch niemand angerufen hatte, um mir zu sagen, wie es Granna ging.

»Er hat dir die Kette geschenkt, stimmt’s?«, durchbrach Saras Stimme meine Langeweile. Sie lehnte am anderen Ende der Theke und enthüllte dabei noch mehr von ihrem Dekolleté, als ich je hätte sehen wollen. Sie trug zwar dieselbe züchtige Eisdielenschürze wie ich, aber mit einem Top, das den Eindruck erweckte, als trüge sie nichts darunter.

Ich blickte zu ihr auf. »Ja.«

»Ich habe gesehen, wie ihr da draußen am Auto gesessen habt. Er ist wirklich süß.«

»Ja.«

Sara beugte sich vor und sagte verschwörerisch: »Und er ist älter. Er geht schon in die Zwölfte, hab ich recht?«

»Ja.«

Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie aus dem Fenster, als wollte sie herausfinden, was ich da draußen betrachtete. »Ich weiß, ich hab das schon mal gesagt, aber ich kann’s einfach nicht fassen. Ich meine, dass jemand wie du einen Kerl wie ihn abkriegt. Ist nicht böse gemeint, ehrlich.«

Deirdres Leben, was bisher geschah: In der letzten Folge unserer Serie wurde Deirdre von Sara mit einer abschätzigen Bemerkung niedergemacht. Und weil Deirdre sozial völlig gehemmt ist, ließ sie es sich ohne einen Mucks gefallen.

Diese Woche in Deirdres Leben: Deirdre wehrt sich.

Ich verdrehte die Augen und sah sie an. »Ich schätze, ältere Jungen stehen eher auf einen dezenteren Look.«

Sara folgte meinem Blick in den Abgrund zwischen ihren Brüsten. »Ich, äh … das ist mir noch nie aufgefallen. Wirklich?«

»Ja«, erwiderte ich bestimmt und erwärmte mich für meine Theorie. »Die jüngeren wollen was fürs Auge. Ältere Jungs suchen Tiefgang.« Ich verbiss mir das Lächeln und versetzte ihr den Todesstoß. »Deswegen würde ich nie mit einem Jungen aus der Schule gehen.« Ich konnte es nicht fassen, dass ich diese Unterhaltung mit ihr führte – als wären wir Freundinnen. Ich fragte mich, ob es bei den anderen Mädchen auf der Highschool genauso war – bei den Mädchen, die vor ihren Spinden über ihre Freunde schwatzten oder über Musik, die sie gern hörten. Vielleicht taten sie alle nur so, als wären sie die besten Freundinnen, obwohl sie im Grunde kaum etwas voneinander wussten.

Sara riss die Augen auf. »Deswegen hast du nie ein Date? Ich dachte, das läge daran, dass du so ein Freak bist.«

Auf der Taktometer-Skala von eins bis zehn erzielte Sara ohne weiteres eine elf. Ich konnte nicht nachvollziehen, weshalb ich mich früher so leicht von ihr hatte einschüchtern lassen. Ich zuckte mit den Schultern. »Das sagen viele, die mich nicht kennen. Selber schuld.«

Der ehrfürchtige Ausdruck auf Saras Gesicht war unbezahlbar.



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